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Kompetenz-Training Rhetorik und Präsentation - der Weg zum Meisterstück!

Artikel von Roswitha Müller veröffentlicht in der Zeit-Schrift für den Deutschunterricht in Wissenschaft und Schule. ide Heft 4-2014, StudienVerlag Innsbruck

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1. Sinn und Zweck der Entwicklung rhetorischer Kompetenzen und Beherrschung der Präsentationstechnik

Der Weg zum Meisterstück ist jener Prozess, der dem Meisterstück erst seine Bedeutung gibt und es rechtfertigt. Dort finden sich die Schritte, die der Anstrengung Sinn geben. Da findet Entwicklung statt, qualitatives Wachstum, geistige Erweiterung und Vergrößerung des Handlungsspielraumes. Vervielfältigung der Entscheidungsmöglichkeiten vermehren den Freiraum und legen damit den Grundstein für die Würde des freien Menschen in einem demokratischen Umfeld.

So lange sind wir noch nicht eingebettet in eine demokratische Gesellschaft und noch viel jünger ist die Forderung nach Partizipation und Auflösung hierarchischer Strukturen zugunsten von Mitentscheidung und Vielfalt. Schwarze Pädagogik gehört weitgehend der Vergangenheit an. Menschenrechte und Chancengleichheit sollen für alle gelten. Aus dem Widerstand einer 68er Bewegung ist konstruktive Kraft gewachsen und ein Gestaltungswille, der einer demokratischen Verfassung Leben einhaucht und ihre vitale Umsetzung erst ermöglicht. Demokratie muss von allen getragen werden und alle sollen mächtig partizipieren und ihre Kraft und Verantwortung einbringen. Das dumpfe und demokratiegefährdende „Wirtshauslamento“ ist Resultat von Hilflosigkeit und Ohn-macht. Dem muss jedwede verantwortungsbewusste Erziehung entgegenwirken. Es ist Aufgabe des Staates, also unser aller, den Menschen zu emanzipieren und ihm das Handwerkszeug für seine Mitwirkung an der Gestaltung der Gesellschaft zu geben. Es geht um die Teilnahme und Mitverantwortung aller in einer demokratischen Gemeinschaft. Es geht um Chancengleichheit und nicht um eine Selektion aufgrund sozialen Hintergrunds. Die Schule ist aufgerufen eine ungleiche Förderung im Elternhaus ausgleichen. Eine Gesellschaft wie die unsere, die hoffentlich noch am Scheideweg steht, kann ökonomische, ökologische und ethische Herausforderungen nur mit gemeinsamer Kraft und getragen von einem klaren Commitment aller bewältigen. Eine Welt die im Umbruch begriffen ist, da bisherige Modelle und Lösungen nur mehr unzureichende Antworten geben, braucht Menschen, die denken und die ihre Gedanken und Ideen zum Ausdruck bringen. Demokratie bindet alle in Entwicklungs-, Veränderungs- und Entscheidungsprozesse ein. Aus den Schulen sollen ausdrucksfreudige und rhetorisch kompetente junge Menschen die Universitäten nutzen. Was am Ende einer Ausbildung steht muss mehr als akkumuliertes Wissen sein. Es braucht Auseinandersetzung damit, Internalisierung über den Weg kreativen Austausches und lustvoller Konfrontation. Innovative Kraft und Präsenz der ArbeitnehmerInnen sind nicht mehr wegzudenkende Ressourcen, die immer häufiger zentrale Bedeutung gewinnen, wenn es um Zusammenarbeit geht. Das Gestalten braucht Austausch und damit das Wort. Partizipation geht über Mitteilung. Denken hat viel mit der ordnenden Kraft von Begriffen, Oberbegriffen, Bedeutungen und Einordnungen, schlichtweg von rhetorischen Zugängen zu tun. Mitteilung dieser ist eine zwingende Voraussetzung um Umsetzung von Ideen oder Austausch von Gedanken erst möglich zu machen. Gedanken müssen die Möglichkeit einer Positionierung haben und das bedingt ein Aussprechen und die Kompetenz dazu.

Die Schule hat die Aufgabe zu prüfen und wahrzunehmen wie sie ihrem bildungspolitischem und ihrem gesellschaftspolitischen Auftrag nachkommt. Damit werden rhetorische Fertigkeiten und Fähigkeiten zur Kernkompetenz, die SchülerInnen am Ende ihrer Schullaufbahn beherrschen sollen. Damit kommt den LehrerInnen die Aufgabe zu alle SchülerInnen in ihrer Ausdruckskraft zu unterstützen. Das „Handwerkszeug“ muss brauchbar und hilfreich sein. Mitreden, sich auseinandersetzen, Lösungen einbringen und Ideen verwirklichen, setzt voraus, dass Menschen Vertrauen in ihre Wirkkraft haben und sich positionieren können. Die Präsentation und der Diskurs über die VWA sind somit die Manifestation einer jahrelangen Schulung in Rhetorik und der Gipfelpunkt einer Förderung sprachlicher Kompetenz. Die Präsentation der VWA wird so zum Meisterstück der SchulabgängerInnen.

2. Was war bisher? Power point und seine Grenzen, wirksame Alternativen – Was soll sich entwickeln?

SchülerInnen bringen aufgrund ihres sozialen Hintergrunds und dem Bildungsniveau ihrer Eltern unterschiedliche rhetorische Fertigkeiten mit. Und diese Unterschiede bleiben auch weitgehend erhalten. Jedwede Bildung und jedwedes Wissen werden aber zu überwiegendem Teil Makulatur, sofern dem/der Lernenden das Instrument der Mitteilung fehlt. Für den kreativen und eigenständigen Prozess der Umsetzung zwecks verständlicher Mitteilung von neuem Wissen, Erkenntnissen und Weiterentwickeln und schließlich Austausch und Zusammenarbeit braucht es die Sprache. Ja, Denken setzt einen elaborierten Code voraus, der geübt und entdeckt werden kann. Die Schule muss diese Aufgabe in jedem Moment wahrnehmen! Bisher hat die Schule über das Abhalten von Referaten auch diese Kompetenz zu entwickeln versucht. Zahlreiche Power Point Präsentationen haben aber genau das Gegenteil erreicht. Der/die RednerIn sind mehr und mehr hinter einem Kaleidoskop von bunten Folien mit technischem Feuerwerk und langweiligen Fließtexten verschwunden. Ob SchülerInnen oder LehrerInnen, alle haben gelernt diese Pflichtübung mit Geduld zu ertragen. So manche SchülerInnen schalten bei 75 oder auch 100 dieser Präsentationen pro Jahr auf Durchzug. Gerade diesem „modernen“ Usus heißt es Einhalt zu gebieten. Power Point Präsentationen sind nur dort sinnvoll, wo sie zur Unterstützung der Verständlichkeit und Anschaulichkeit eine positive Ergänzung sind. Worte haben hier wenig bis gar nichts zu suchen und die Dauerkonkurrenz einer sinnentleerten Lichtquelle im Hintergrund sollten sich RednerInnen weitgehend ersparen dürfen/müssen.

Selbst in der Wirtschaft und bei Kongressen ist der/die gute RednerIn eine willkommene Abwechslung zur alle langweilenden P.P.P. Laut einer Studie der Universität Rostock führe P.P.P. oftmals dazu, dass der Aufmerksamkeitspegel für den Inhalt schnell abfällt. Das Arbeitsgedächtnis hat nur eine begrenzte Aufmerksamkeitskapazität und wird mit überbordenden Vorträgen überbeansprucht. Das Auge folgt den Folien – je aufwändiger desto mehr Aufmerksamkeit geht auf Kosten der Inhalte – und das Mitdenken und Verarbeiten reduzieren sich drastisch. Gerade was Ziel und Zweck der Visualisierung ist, torpediert sich und P.P.P. wird zum Selbstzweck. Dies äußert sich dort, wo behauptet wird, ein Vortrag ohne Einsatz von P.P.P. entbehre der Professionalität. Das bedeutet nun nicht einen Verzicht auf Visualisierung, sondern ein bewusstes Einsetzen eines Instruments. Das Flipchart gewinnt wieder an Bedeutung, gerade wenn Gruppen nicht allzu groß sind. Bei großen Gruppen bewährt sich die SW-Folie sofern es noch einen Overhead gibt. Wenn es um ein paar Überraschungen geht oder um Eye catcher sind große Fotos oder eine Zeichnung auch eine Variante. Oft aber braucht es gar nichts anderes als den/die RednerIn. Dann aber steht diese/r absolut im Mittelpunkt; mit allen Vor-und Nachteilen, die die fokussierte Aufmerksamkeit auf den/die RednerIn bringen. Hier hat die Kunst der Rhetorik wirklich Raum, hier kann Interesse geweckt, ein Publikum überzeugt, mitgerissen, begeistert, bewegt….werden.

3. Veränderung des LehrerInnenselbstverständnisses: LehrerIn oder Coach?

Die Rolle des/der Lehrenden wird neu definiert werden müssen. Das hierarchische Gefälle wird sich immer wieder zugunsten eines Coachings der Lernenden, der Experimentierenden verändern. Die Begleitung auf Augenhöhe fordert eine neue Feedbackkultur. Das ist Abschied nehmen vom Bild des Wissenden und des Nichtwissenden. Mit welchen Methoden LehrerInnen den SchülerInnen ein „schullanges“ und in der Folge „lebenslanges“ Lernen und Wachsen ermöglichen, bedarf einer weiteren Betrachtung. Detailliertes Feedback ist Wertungen jedweder Art vorzuziehen. Lob will Wiederholung, SchülerInnen versuchen dann den Kriterien der/des Lehrerin/ers zu entsprechen und entwickeln damit nicht ihr eigenes, authentisches und kreatives RednerInnenprofil; mit Kanten und Ecken. Ein Hugo Portisch hätte nicht das Profil, wäre er den „objektiven“ Regeln eines Rhetoriktrainers gefolgt. SchülerInnen bedürfen daher einer behutsamen, wertschätzenden Begleitung, die loslässt und andere Wege des Coachings zulässt. Da gibt es Methoden, die eine Feedbackkultur zwischen den MitschülerInnen ermöglichen. Sicherzustellen ist jedenfalls ein „Lernraum“ der weitgehend frei von Druck sein muss, da nur dort neue Wege beschritten werden können. Unter Leistungsdruck greift der Mensch auf „sichere Lösungen“ zurück. Damit schränkt sich die Möglichkeit des Neuen lernens ein – es wird reproduziert. Adäquate Unterrichtsgestaltung lässt den SchülerInnen vermehrt Raum um sich zu erleben, zu experimentieren und ihr Selbstbewusstsein wachsen zu lassen. Freude und Begeisterung machen der Neugierde Platz und lassen mutig neue Terrains entdecken. Ziel ist, dass SchülerInnen aus sich heraus das Bedürfnis und die Freude am Mit-teilen entwickeln. Die Positionierung mit ausführlichen Wortmeldungen in den unterschiedlichen Gegenständen wird für die SchülerInnen zur Selbstverständlichkeit. Damit einher gehen Redegewandtheit und das Fehlen von Redeängsten und Hemmungen.

4. Experimentierfeld Schule – ein Raum für freie Meinungsäußerung!

Die Diskussionen sind wiederkehrend kontroversiell, wenn gelebte Rhetorik als Inbegriff und Demonstration einer freien, demokratischen Kultur in der Schule ihren Platz finden könnte. Noch ist mir - nach all den ausführlichen Diskursen darüber keine dieser Schule bekannt, die ihren Speakers Corner eingerichtet hat. Natürlich stellt sich ganz schnell die Frage, wieviel freien Raum hält die Schule aus. Wer bestimmt die Grenzen des guten Geschmacks oder aber wer gebietet bei Verhetzung oder Beleidigungen Einhalt. Wieviel „Rechts“ oder „Links“ darf sein? Wieviel Politik in der Schule, wieviel Sex oder Sexistisches? Wie schnell sind die Tabugrenzen erreicht? Im Hyde Park gelten auch Regeln – eine Beleidigung der Queen würde jedenfalls schnell verfolgt. Natürlich können ein paar Grundregeln, wie Abstand von Hetzen gegen…. oder Austragen von Konflikten vor einer Öffentlichkeit, die das nichts angeht…. aufgestellt und deren Einhaltung von SchülerInnen selbst geregelt werden. Jedenfalls ein fix installierter Ort – ein Eck vom Pausenraum oder im Schulhof, zwei/drei Mal die Woche zu einer bestimmten Zeit mit mehreren höchstens 3minütigen Reden über welches Thema auch immer. Angeschlagene Regeln, die Frequenz und Fairness thematisieren. Initialzündung über eine Klasse und ein/e LehrerIn, die das Anlaufen des Speakers Corner zu ihrem Projekt machen. Eine Kultur der Rhetorik, die sich sichtbar macht und dieser einen unübersehbaren Stellenwert zuschreibt. Damit aber auch der Rhetorik Sinn und „Fleisch“ gibt und sie nicht zum Selbstzweck verkommen lässt. Die SchülerInnen haben damit ihren Ort, der ihnen Gehör verschafft und Aufmerksamkeit schenkt. Utopisch? Das Experiment wäre zu wagen!

5. Frei reden – tagtäglich: kleine und große Übungen im Unterricht; zwischen Wiederholung, Einstimmung und Meinungsaustausch.

Übungen sollen sich wenig wiederholen, sonst nutzt sich die Form ab. Dies bedeutet, dass eben nicht alle eine Präsentation oder alle ein Interview machen. Vielmehr ist es wichtig, dass sich die SchülerInnen aussuchen können, ob sie die 4 gemeinsamen Präsentationen im Halbjahr machen oder lieber die Rolle eines Gastes bei den 6 Nachrichtensendungen im Halbjahr übernehmen wollen. Der angebotene Change gewährleistet Abwechslung und Vielfalt. Darüber hinaus danken es die SchülerInnen, wenn sie wählen dürfen, was ihnen mehr zusagt. Die wiederkehrenden kleinen Einstiegsübungen von 10 Minuten Zwiebelkreis oder Definitionsübung sollen ebenso nicht ausgereizt werden. Langeweile ist jedenfalls zu vermeiden, denn diese senkt den Herausforderungscharakter der Übungen. Wirklich wichtig bei allem ist der zu Teilen spielerische Effekt, das Experimentelle und nicht zuletzt eine wertschätzende Feedbackkultur; ohne „Schönfärberei“. Bei den Übungen bewährt sich eine Visualisierung. Die von LehrerInnen gestalteten Plakate haben Vorbildcharakter und sollen deshalb möglichst sauber und strukturiert sein. Das Arbeiten am Flipchart will gelernt sein. Die SchülerInnen können letztlich diese Fertigkeiten bei der VWA einbringen.

TRAINERLEITFADEN: Gemeinsame Präsentation

Geschichte, Kunstgeschichte, Biologie, Chemie, Physik, Deutsch….

Ziele: Wirkungsvolle Präsentation von Personen und Inhalten überlegen und üben Möglichkeiten: Personen aus der Geschichte – ihre Taten…..(Beispiel: Caesar und Brutus, Sisi und Franz Josef) Deutsch – Literatur (Goethe und Werther, Othello und Desdemona) Chemie – zwei Erfinder, Wissenschaftler, Biologie – Entdecker, Verhaltensforscher…oder zwei aus einer Tiergattung und deren Lebensweise…..

Ablauf auf Flipchart

Paarauftritt – 8 min

Mit Video - Videoanalyse:20 bis 30 min (mit Stopps*) oder ohne Video (*Feedback von SchülerInnen und LehrerIn)

Merkpunkte auf Flipchart: Fokus auf Auftritt verbal und non-verbal, Inhalte, Struktur, anschauliche Sprache, Informationsgehalt, anregend? originell , …..

TRAINERLEITFADEN: Interview

Ähnlich der Gemeinsamen Präsentation – jemand interviewt eine/n PartnerIn (Kernphysiker X, Konrad Lorenz….je nach Fach und Schwerpunktthema). Ein Paar bereitet dieses Interview vor. Ziel ist ein interessantes und spannendes Setting mit klugen Fragen und ent-sprechenden inhaltlich gehaltvollen Antworten. Interviewzeit ca 8 min. Danach Feedback *)

TRAINERLEITFADEN: „aus einem fremden Land…“

Ziele:

  • erzählen – Interesse wecken, begeistern durch Begeisterung

  • In Bildern sprechen

  • Überzeugen

  • Rhetorisches Handwerkszeug für Spannung erwerben

  • Frei sprechen

2 min-Rede zum Foto, eine Geschichte über die Welt dort… erzählen. Eventuell mit Ziel, dass andere auch dorthin wollen, aber zumindest den Ort attraktiv werden lassen. Fotos zur Wahl auflegen. Geographie, politische Bildung, Fremdsprachen, Religion…

TRAINERLEITFADEN: Feedbackgremium

3er/4er Gruppe führt nach Präsentation…..ein Gespräch über Kandidatin.

Zeit: etwa 5 Minuten

„Wir wollen den/die Kandidatin in den Kreis der RednerInnen aufnehmen.“

Sie besprechen sich, sprechen über den Auftritt….. nur Positives – gut begründet, im Detail. Eventuell in….Entwicklungspotential. Die Übung braucht viel Erfahrung seitens der SchülerInnen. Oberstufe: 7. oder 8. Klasse

TRAINERLEITFADEN: Nachrichten

WO ? Politischer Bildung, Geschichte, Biologie, Geografie und Wirtschaftskunde, Englisch……….

WER ? NachrichtensprecherIn und Gast

WANN ? WIE LANGE? Für jede/jede zweite Woche/Stunde bereiten sich zwei SchülerInnen auf eine 3 - 5 min Sendung vor.

WAS ? Aktuelle/interessante Themen der letzten Woche/ generell/……. Zu einem Thema gibt es einen Gast (frei oder übernimmt Vertretung einer Interessensgruppe): Interview, Kommentare des Gastes, Einschätzungen….

Evaluation: danach Kommentare der Klasse usw……….weitere Methoden, Tipps und Anregungen bei Roswitha Müller

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